Interview mit einer 19-jährigen Studentin der Politikwissenschaft
Welchen Nutzen und welche Risiken bringt die Digitalisierung für Dich?
Ich bin mit der Digitalisierung aufgewachsen. Die Digitalisierung und die Globalisierung haben meine Generation geprägt. Den grössten Nutzen der Digitalisierung für mich ist die Vernetzung. Es ist einfacher zu kommunizieren und sich Wissen anzueignen. Es ist viel einfacher, auf Wissen zuzugreifen als früher, als man in einer Bibliothek das richtige Buch finden musste. Das ist aus meiner Sicht eine der grössten Errungenschaften der Digitalisierung. Der erleichterte Zugang ermöglicht es, sich selbst zu verwirklichen, weil man sich über jene Dinge informieren kann, die einen interessieren.
Welche Social Media nutzt Du?
Keine. Ich nutze WhatsApp. Und sehr begrenzt Pinterest und Tumbler. Als ich 16 Jahre alt war, habe ich alle meine Social Media Accounts gelöscht.
Wie kam es dazu?
Ich war sehr aktiv auf Social Media, aber irgendwann wurde es mir zu dumm. Ich denke, gerade junge Menschen suchen Bestätigung. Social Media werden oft genutzt, um diese Bestätigung zu bekommen. Es geht um Likes, um Follows, es geht darum, sich zu zeigen. Ich finde es aber problematisch, da das Ganze total fake ist. Es geht nur darum: Ich like das Bild einer Person, damit sie meins zurück liked, dabei ist es völlig zweitrangig, ob mir das Bild wirklich gefällt oder nicht. Die erhaltene Bestätigung ist also nicht echt. Social Media fördert somit den kollektiven Selbstbetrug. Wenn dein Selbstvertrauen von Likes abhängig ist, was passiert, wenn du mal weniger Likes hast oder jemand einen doofen Kommentar schreibt? Ich habe für mich bemerkt, dass das nicht ein gesunder Weg ist, sich selbst zu finden. Ich will mich nicht über die Zustimmung von andern definieren. Innerhalb von kurzer Zeit habe ich Facebook, Instagram und Snapchat gelöscht.
Klar hätte ich auch heute ab und zu gerne Zugriff auf Social Media. Es ist interessant zu sehen, was andere machen – Klatsch und Tratsch. Aber, den Preis den ich zahle, ist mir zu hoch. Ich will gefallen, das gebe ich ehrlich zu. Wenn ich ein Bild hochlade, will ich, dass es gefällt. Ich reaktiviere meine Accounts nicht, weil ich Angst habe wieder in die Muster von früher reinzufallen. Für mich ist das auch Selbstschutz. Wenn ich sehe, was andere für Likes machen oder wie sie sich fühlen, wenn sie nicht genug Likes bekommen, finde ich es schrecklich.
Wie war das in Deinem Umfeld?
Zum Beispiel die Like-Kultur: Auf Instagram geht es nur um «Follow for Follow, Like for Like». Es geht also um den Handel: Ich like dein Bild, du likest meins. Beide haben etwas davon, weil es um den Like geht.
Ist das nicht völlig inhaltsleer? Worum geht es wirklich?
Bestätigung. Obwohl Du genau weisst, dass es eine Illusion ist. Aus meiner Sicht sind besonders unsichere Menschen sehr anfällig dafür. Dort liegt aus meiner Sicht die Gefahr von Social Media. Du kannst ein gesundes Selbstbewusstsein nicht auf einer Illusion begründen. Oder auf deinem Aussehen. Was ist auf Social Media wichtig? Wie du aussiehst. Auf den Selfies sehen viele allerdings nicht so aus wie sie wirklich aussehen und zudem ist Schönheit vergänglich. Was machst du mit 50 wenn vielleicht nicht mehr alles so straff ist. Was hast du dann noch, wenn du dich immer über dein Aussehen und über deine Likes definiert hast? Du reduzierst dich extrem. Das wollte ich nicht mehr. Ich bin mehr als ein Like. Und ich bin mehr als ein Bild.
Gibt es in Deiner Generation ein Bewusstsein dafür?
Das ist sehr abhängig von der Person. Ich denke es gibt etwa drei Kategorien: Jene, die sich bewusst sind, die nichts mit Social Media zu tun haben wollen. Jene, die gar nicht darüber reflektieren. Und dann gibt es jene, die sich bewusst sind, aber nicht aufhören können. Ich denke, dass die Bestätigung halt auch ein bisschen süchtig macht. Wenn du den einzigen Kanal, über den du Bestätigung kriegst, kappst, dann musst du dich mit dir selbst auseinandersetzen. Das ist wie ein Entzug. Das ist schwierig. Für mich war es nicht einfach. Andererseits war ich auch an einem Punkt, an dem es für mich das richtige war. Für mich war es befreiend, weil ich es in einer Situation tat, in der die Oberflächlichkeit, die auf Social Media vorherrscht, für mich zur Belastung geworden ist.
Was ist Dein Tipp zum Umgang mit Social Media?
Ich glaube Facebook kann man ab 12 oder 13 Jahren haben. Wenn ich mit mir in diesem Alter reden könnte, würde ich sagen: Mach es nicht. Nicht in dem Alter. Mach es später, sobald du dich selbst gefunden hast, unabhängig davon, was andere von dir denken. Ich glaube, dass musst du früher oder später sowieso lernen. Aber das betrifft mich. Ich denke, es gibt auch Menschen, die gut damit umgehen können.