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Heute im Interview: Peter Stierli, ehemaliger Schulleiter und Lehrer im Raum Zürich

digitale Diät: Welches sind aus Deiner Sicht als ehemaliger Schulleiter die grössten Herausforderungen der Digitalisierung?
Peter Stierli: Die grösste Herausforderung ist aus meiner Sicht die Abhängigkeit der Schülerinnen und Schüler, dauernd im Netz zu sein. Chats laufen zum Teil rund um die Uhr. Ab dem 7. Schuljahr wird vermehrt zum Thema, inwiefern Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, im Schulbetrieb normal zu funktionieren. Zum Teil beeinflusst die permanente Erreichbarkeit, dass sie zu wenig schlafen und während dem Unterricht müde oder abgelenkt sind.

Wie seid ihr, in Deiner Zeit als Schulleiter, mit diesen Herausforderungen umgegangen?
Wir haben Elternabende zu dem Thema organisiert, die für Eltern obligatorisch waren. Dass wir sie dazu verpflichtet haben, führte bei gewissen Eltern zu Unmut. Im Laufe der Elternabende haben wir es aber immer geschafft, eine positive Atmosphäre zu prägen, da es uns gelang, klar zu machen, dass wir die Eltern nicht belehren, sondern mit ihnen zusammenarbeiten wollten. Wir haben beispielsweise Eltern in einem World Café Lösungsansätze entwickeln lassen. Als Resultat stand das Kommitment, erstens, die Geräte abends um 22 Uhr einzuziehen und zweitens, die Schülerinnen und Schüler zu informieren, dass dies eine generelle Regel ist und nicht nur Einzelne betrifft.

Wie nachhaltig war der Elternabend?
Mit dem Elternabend war das Thema nicht vom Tisch. Es gab Eltern, die sich nicht an das Kommitment gehalten haben. In diesen Fällen haben wir weitere Gespräche geführt. Grundsätzlich waren die Rückmeldungen der Lehrerinnen und Lehrer aber positiv: Sie fanden, dass die Schülerinnen und Schüler weniger unruhig und müde waren.

Werden Eltern bezüglich On-/Offline-Verhalten genügend geschult?
Das pädagogische Rahmenmodell, das wir verwendeten, beinhaltet als zentrales Element die Zusammenarbeit mit den Eltern. Ein Präventionslehrplan über die drei Sekundarschuljahre beinhaltet auch die Schulung bezüglich Mediennutzung. Wir haben mit dem Verein zischtig.ch zusammengearbeitet. zischtig.ch-Mitarbeitende besuchten an unserer Schule zuerst die Schülerinnen und Schüler in ihren Klassen und berichteten anschliessend anonymisiert am Elternabend darüber, welche Seiten und Plattformen heute beliebt sind. Danach wurde zusammen mit den Eltern thematisiert: Wie gehen wir damit um.

Wo siehst Du allenfalls noch Bedarf diesbezüglich?
Ich finde, dass wir Erwachsenen uns überlegen müssen, wie wir selbst digitale Medien nutzen. Wir gehen teilweise unreflektiert damit um. Ich denke für Eltern ist es wichtig, sich die Frage zu stellen: Wie ist mein Nutzungsverhalten? Und, wie wirkt sich mein Nutzungsverhalten auf mein Kind aus?

Gibt es Momente, in denen Du selbst nicht erreichbar bist? Deine Mails liegenbleiben?
Ja, das gibt es. Im Zusammenhang mit meiner Selbstständigkeit habe ich oft das Gefühl: Ich muss immer antworten. In den Ferien habe ich mir vorgenommen, eine Woche keine Mails anzuschauen. Es hat funktioniert, sogar drei Tage länger. Das ist mir relativ einfach gelungen, ohne dass ich Entzugserscheinungen hatte. Ich habe aber solche Zeitfenster auch schon unterbrochen, weil es mich interessiert hat, wie jemand auf meine Nachricht reagiert hat.
Im Alltag schränke ich meine Nutzung wenig ein, habe aber selten das Bedürfnis permanent zu schauen, was in meinen Mails läuft. Am Wochenende bin ich grundsätzlich offline, weil ich gemerkt habe, dass es mir bessergeht, wenn ich nicht permanent meine Mails checke.